Wenig später liege ich frustriert auf einem der hölzernen Liegestühle auf der Terrasse neben dem Pool und starre vor mich hin. In meinem Gästezimmer habe ich es nicht lange ausgehalten. Nachdem ich alle Schubladen aufgerissen hatte, in der Hoffnung, dass ich irgendetwas finden würde, was mir in irgendeiner Weise weiterhilft, bin ich einfach in den Garten gegangen. Komischerweise habe ich bei meiner Suche tatsächlich etwas gefunden. Einen Gummiball, wie man ihn aus Kaugummiautomaten ziehen kann. Die Flucht wird mir mit diesem Ding nicht gelingen, aber ich kann meine „Gastgeber“ damit nerven. Während ein Bein ausgestreckt auf dem Fußteil des Liegestuhls ruht, lasse ich mein linkes Bein entspannt auf den steinernen Terrassenboden hinabbaumeln.
Ich lasse den Gummihüpfball in gleichmäßigen Würfen auf die Pflastersteine aufspringen. Der Ball entfernt sich bei jedem Wurf nach dem Aufprall ein Stück, um dann an Saras Schild abzuprallen und schließlich wie ein Bumerang zurückzuspringen. Hier und da muss ich mich ein wenig strecken um den Ball zu fangen. Ich gehe dieser Freizeitbeschäftigung nach, wie ein aufsässiger Jugendlicher, der permanent den Ball an ein Garagentor krachen lässt, um seine Umgebung damit zur Weißglut zu treiben.
Sara war vor kurzem auf der Terrasse erschienen um mich zu bitten, damit aufzuhören. Anscheinend klopfe ich mit jedem Ballwurf gegen ihren Schild, an ihr Unterbewusstsein an und mache sie damit ganz kribbelig. Sehr gut, vielleicht spricht sie dann mit diesem Typen, dass ich endlich gehen kann. Ich werde ihr auf jeden Fall den Tag zur Hölle machen. Soll sie sich besser fühlen als ich? Schließlich bin ich nicht diejenige, die sie zwingt, diesen Schirm um das Haus und einen Teil des Gartens zu spannen. Außerdem ist meine Beschäftigung eine willkommene Möglichkeit noch jemanden an meinem Frust teilhaben zu lassen.
Sara steht in ihrem Wohnbereich im ersten Stock der Villa und beobachtet Claras Treiben. Während Clara zu einem weiteren Wurf ansetzt, seufzt Sara hörbar und will sich gerade vom Fenster abwenden, als sie von hinten umarmt wird. Titus hebt Sara hoch und dreht sie im Kreis. Sara kreischt auf um dann in vergnügtes Lachen zu verfallen. „Lass mich runter“, jauchzt sie. „wie oft hab ich dir schon gesagt, dass du mich nicht so erschrecken sollst.“ Titus lässt von ihr ab und sieht sie gespielt reuig an, dann verzieht er das Gesicht zu einem schelmischen Lächeln. „Tu doch nicht so. Du hast bestimmt gespürt, dass ich wieder da bin. Schließlich hast du mich deinen Schild passieren lassen, sonst würde ich jetzt noch draußen vorm Tor stehen und daran kratzen.“ Sara legt bedacht einen Finger ans Kinn: „Hmh. Interessante Vorstellung. Du, draußen um Einlass flehend…..“ Titus packt Sara wieder und will sie gerade hochschleudern, als sein Blick in den Garten fällt. Er hält inne und fragt mit hochgezogenen Augenbrauen. „Was macht unser Neuzugang denn da?“ Noch während er fragt, erkennt er, welcher Freizeitbeschäftigung die junge Frau nachgeht, und wirft sofort wirft er seiner Freundin einen mitleidigen Blick zu. „Oh, du Arme. Ärgert sie dich?“
Sara verschränkt die Arme vor der Brust. „Das kann man wohl sagen. Ich bin die ganze Zeit versucht, den Ball einfach durchzulassen. Aber wer weiß, was sie sich als Nächstes einfallen lässt. Vielleicht springt sie selbst dauernd gegen den Schild und das wäre noch anstrengender zu ignorieren als der kleine Ball. Außerdem kann ich sowieso bald nicht mehr. So lange habe ich noch nie einen Schild halten müssen.“
Sara blickt zu Boden. Titus, der ihr jetzt sehr nahe kommt, nimmt ihr Gesicht in beide Hände und zwingt sie, ihn anzusehen. „Mir fällt schon was ein, wie ich dich auf andere Gedanken bringen kann“, säuselt Titus und nähert sich Sara zu einem langen, sanften Kuss.
Sara seufzt auf und lässt sich auf die Ablenkung ein. Die Küsse werden schnell leidenschaftlicher. Titus zieht sich das Shirt über den Kopf und schleudert es durch das Zimmer. Dann greift er nach Saras T-Shirt. Diese streckt ihre Arme wollüstig kichernd nach oben und überlässt es Titus, ihr das Stück Stoff über den Kopf zu ziehen. Es folgen wieder eine Reihe von Küssen. Sara lässt sich treiben und entspannt sich.
Ich schmeiße wieder den Gummiball. Es dauert einen kurzen Moment, bis ich realisiere, dass der Gummiball diesmal an keinem Schild abgeprallt ist. Er ist einfach weitergesprungen und kommt irgendwo im Gras zum Liegen. Abrupt setze ich mich auf. Um keine Aufmerksamkeit auf mich zu ziehen, lege ich mich aber sofort wieder zurück. Schließlich kann ich ja nicht wissen, wie viele Argusaugen gerade auf mich gerichtet sind.
Aus den Augenwinkeln blicke ich vorsichtig in alle Richtungen. Es bleibt still. Um mich herum kann ich keine Bewegungen wahrnehmen. Ok, ganz ruhig, lass mich mal nachdenken.
Entweder ist der Ball durch den Schild gegangen oder es gibt keinen Schild mehr … es gibt nur eine Möglichkeit, das herauszufinden. Noch im selben Moment springe ich auf und renne, was meine Beine hergeben, vom Haus weg in die Richtung, in der ich einen Ausgang vermute.
„Was zur Höll…!“, bringt Bale hervor, als er Clara über die Wiese spurten sieht.
Eigentlich sieht er nur nicht mehr als ein paar Beine über die Wiese rennen, da er sich im Souterrain des Hauses befindet und nur eingeschränkte Sicht in den Garten hat. Er war derart in Rage über David gewesen, dass er sich mit verschiedenen Schwertübungen zur Ruhe bringen wollte, als er im Spiegel eine Bewegung im Garten wahrnahm. Es hatte einen Moment gedauert, bis die Erkenntnis seine Konzentration durchbrochen hatte, dass keiner seiner Mitarbeiter gerade beim Joggen war, noch dazu in diesem Tempo.
Bale legt hektisch das Schwert auf den Boden und greift nach der nächstbesten Schusswaffe, die griffbereit und schnell geladen ist. Es handelt sich dabei um eine kleine Armbrust.
„Saarraaa“, brüllt Bale, als er barfuß die Treppe hinaufstürmt und sich bereits durch den Wohn-Ess-Bereich der Terrassentür nähert.
Sara und Titus schrecken auf und lassen voneinander ab. „Scheiße!“, durchfährt es Sara.
Ein Blick aus dem Fenster zeigt den beiden einen entschlossenen Bale, der über die Wiese rennt.
„Mein Schild!…“, flüstert Sara.
Nach einer kurzen Schreckensstarre fangen Titus und Sara an, ihre Kleidungsstücke einzusammeln. Wäre die Situation eine andere gewesen, hätten beide wahrscheinlich lauthals gelacht, als sie ihre Sachen auseinandersortieren und sich gegenseitig zuwerfen.
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