Die Wunschblase

1. Leseprobe:

Carolyn erhält Besuch von ihrem Flaschengeist-Chef

„Dschinn“, sage ich ehrfürchtig und verbeuge mich knapp.

Er hebt seinen Arm als Zeichen, dass ich mich rühren darf. Unser Oberdschinn ist der Urdschinn und keiner weiß genau, wie alt er ist. Er sieht aus, wie ein asiatischer Mann und hat einen langen, langen, langen weißen Bart. Er trägt eine Art weißes Kleid mit langen ausgestellten Ärmeln und auf dem Kopf sitzt so ein komischer Hut, den ich sehr witzig finde, weshalb ich immer kichern muss, wenn ich ihn sehe. Natürlich kichere ich erst, wenn er mir seinen Rücken zukehrt. Seine Haare hat er hinten am Kopf zu einem langen Zopf gebunden und ich frage mich, was wohl länger ist: sein Bart oder der Zopf.

„Carolyn!“, sagt er streng. Ups. Schon wieder habe ich vergessen, dass er gerne in den Köpfen seiner kleinen Dschinnis herumspioniert. Er geht zu dem Gefäß, in dem meine Wunschblase wartet. „Das ist eine ganz besondere Blase, nicht wahr, Carolyn?“, sagt er und fährt sich mit den Fingern über seinen Schnurrbart.

„Ja, aber sind sie das nicht alle?“, entgegne ich.

„Vielleicht erfordert eine besondere Blase auch besondere Maßnahmen.“

Spielt er auf die Sache mit den nassen Hosen an? Er lächelt. Aha, er hat mich also beobachtet. Wieso beobachtet er immer meine Aktionen? Es gibt hier doch noch viele andere Mitarbeiter. Er lächelt immer noch entspannt und streichelt seinen Bart. „Deine Aufträge sind meist die unterhaltsamsten.“

„Ich finde es nicht sehr unterhaltsam, wenn ein Junge seine Mutter verliert.“

„Oh, natürlich, ich korrigiere mich. Deine Arbeitsweise ist besonders unterhaltsam. Sogar mein lieber Freund von oben schaut ab und zu bei dir vorbei.“ Oh Gott! Ja genau, den meint er. „Denk daran, die Blase sucht sich den Dschinn aus, also konzentriere dich auf den Wunsch und nur auf den Wunsch!“

„Das tue ich doch immer.“

Er lächelt, als ob er mir noch einiges sagen wollte. Dennoch geht er wortlos aus meiner Wabe und lässt mich mit meiner Blase alleine.

2. Leseprobe:

Frank erhält eine telefonische Einladung

(…)Grinsend freue ich mich auf das, was jetzt kommt.

Da höre ich plötzlich die Stimme des Oberdschinns in meinem Kopf: „Was meinst du, Carolyn? Nimmt er diese Einladung an?“ Mit genervtem Blick in den Himmel signalisiere ich meinen Unmut über die Einmischung und denke: „Wieso immer ich?“ Dann höre ich noch ein leises Lachen, bevor Franks Stimme wieder in mein Bewusstsein tritt.

„Also, an sich finde ich die Idee ja ganz gut. Aber ich fürchte, ich habe morgen schon etwas vor. Ich habe … äh … eine neue Haushälterin und ich wollte sie morgen dafür … entschädigen, dass sie sich die ganze Woche über so gut um Ben kümmert.“

Überrascht drehe ich mich zu Frank um und gebe ihm mit Zeichen zu verstehen, dass das nicht nötig ist. Aber er sieht mich nur kurz an und redet weiter. „Wenn ihr Ben trotzdem mitnehmt, dann wäre das für mich die Gelegenheit, mich bei Carolyn zu bedanken.“

Ja, bedanke dich bloß nicht zu früh!

Als er aufgelegt hat, zuckt er entschuldigend mit seinen Schultern. Ben schaut erst seinen Vater an und dann mich und verschwindet grinsend in sein Zimmer.

„Sie sind ein Lügner und Betrüger“, bemerke ich. Es klingt leicht amüsiert, aber eigentlich bin ich enttäuscht, weil er diesen Versuch auch abgelehnt hat.

Er lächelt, ja, er lächelt und ich könnte mich in dieses Lächeln hineinlegen. „Wir müssen nichts unternehmen. Ich wollte bloß nicht mit dieser Sandra ins Schwimmbad gehen.“

„Aber warum wehren Sie sich so? Sie sollten etwas mit Frauen unternehmen und auch … ich meine … Sie wissen schon …“ Ich kann mich gerade noch einbremsen.

Er tritt einen Schritt näher und legt stirnrunzelnd seinen Kopf schief. „Nein, ich weiß nicht, was ich sollte.“ Er klingt verärgert.

Ich beginne zu stottern. „Ich meine … Männer haben doch bekanntlich … naja … ein verstärktes Bedürfnis nach …“ (…)

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